Werner Lutz Handschrift

Lyriker und Maler

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«Werner Lutz ist am 25. Oktober 1930 in Wolfhalden, Kt. Appenzell, geboren, hat in St. Gallen eine Grafikerlehre absolviert und lebt seither als Maler und Lyriker in Basel — mit Blick auf den Rhein. Viele seiner Gedichte haben mit diesem Fluss zu tun.

Beständig im Wechsel: so etwa ließe sich diese immer von neuem am Fluss und an dem darüber hin fliehenden Licht inspirierte Dichtung charakterisieren. Mit Idyllik oder gar Langeweile hat das absolut nichts zu tun. Um so mehr aber mit einer rhythmisch durchpulsten Musikalität, die überall unterschwellig da ist, unauffällig und schlicht, als ob sich das von selbst verstünde: … und meine Hände / streifen das Fließen / die ewige Bewegung / außerhalb. Eigentlich müssten diese Gedichte gesprochen werden, damit die ihnen eigene Strömung mit all ihren Wirbeln, Brechungen, Staus, mit ihren Accelerandi und Rallentandi, mit ihren als Stilprinzip eingesetzten Wiederholungen und Wortballungen zum Tragen käme. Erst dann, in direktem Kontakt mit den Schall-Wellen, lässt sich ermessen, was Werner Lutz meint, wenn er schreibt: … das habe ich vom Fluss gelernt.»

Caritas Jenny-Eberling, NZZ, 1992

«1955 begann Lutz Gedichte zu schreiben und zu veröffentlichen. Rainer Brambach hat für sie geworben. In Zeitschriften und Anthologien sind sie erschienen und 1979 im ersten eigenen Band: Ich brauche dieses Leben. Das waren keine Gedichte eines Anfängers, für die ihr Verfasser später sich hätte genieren müssen. Ihre konstante Qualität war zu bestaunen; und beweist, wie Lutz in den neuen Gedichten seine Art und Weise fortsetzt. Er verzichtet auf Großschreibung am Zeilenanfang; lässt alle Interpunktionen fallen; auch die Gedichttitel. Jedes Gedicht für sich ist ein Gebilde aus Wörtern und Sätzen, Bildern und Gesten, dem eine vom freien Rhythmus getragene Sprache den Duktus oder die Melodie verleiht. Man hört die Gedichte wie gesprochen. Und man zögert als Rezensent, Zeilen oder Wörter zu zitieren; das heißt, sie herauszubrechen aus dem festen Gefüge.

Flusstage, der Titel des Bandes, sagt etwas über den Ort des Lyrikers. Vom Fluss, vom Rhein hat er gelernt: zu beobachten die Bewegung der Schiffe, des Lichts, der Schatten, der Tages- und Jahreszeiten. Striche zu einem Selbstporträt lassen sich finden. Von den Farben und vom Umgang mit ihnen ist die Rede: … gewöhnt daran / mit lichtem Ultramarin / sparsam umzugehen. Gedicht um Gedicht — in ganzer Länge — müsste man zitieren, um zu beweisen, welche Schönheit und Luzidität die neuen Gedichte von Werner Lutz im Band Flusstage erzielen.»

Hans Bender, Süddeutsche Zeitung, 1992

«Lutz ist nicht nur als Maler Gewöhnt daran / mit lichtem Ultramarin / sparsam umzugehen. Auch die Gedichte des Lyrikers sind von zarter Hand geschrieben und von großer und aquarellhafter Transparenz. Fliehendes Licht auf fließendes Wasser zu legen, so beschreibt er seine Arbeitsweise gleich den chinesischen Meistern, und wie sie hat er die leisen Wechsel, die wechselnden Helligkeiten … vom Fluss gelernt. Überhaupt ist das Wasser das Element des Autors. Seine Tage und Gedichte sind Flusstage Wolkentage …geschrieben mit weicher Kreide auf verblassendes Blau.

Doch sind die Texte des Autors, bei aller Stille, aller Verhaltenheit und diskreter Leuchtkraft, mehr als bloße Farbtupfer auf das Weiß des Papiers, und sie sind keinesfalls immer nur heiter. Denn wie der Maler, aus dessen Farben das Licht flieht, wenn ihm die Schwermut die Hand führt, so kennt auch der Lyriker Werner Lutz die Schwere, die alles Leichte bedroht, und die Macht des Dunkels über die Helligkeit. Und er wird in den düsteren Stunden zum Grauseher Nichtschwimmer, für den nun gilt:…alles wirft Schatten / sogar die Dunkelheit.»

Hans-Ulrich Treichel, Die Welt, 1992