Werner Lutz Handschrift

Lyriker und Maler

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Zum Tod des Lyrikers Werner Lutz
Wolfhalden 1930 – Basel 2016

«Werner Lutz brauchte wenige Worte, um die Welt für einen Augenblick in ein anderes Licht zu tauchen. Bisweilen reichte ihm gar ein einziger Satz, um etwas aufscheinen zu lassen, das wir so noch nicht kannten: Nach all den Jahren / endlich Bienen im Haar»

Martin Zingg

«Hefe essen damit das Glück aufgeht – auf solche Zeilen stösst man bei Werner Lutz immer wieder. Bei diesem stillen Poeten, der nun im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Oder: Immer mit der Ruhe / damit das Lächeln auf den Lippen / nicht verdirbt. Mit solchen Botschaften gab er sich, der an so vielem zweifelte, manchmal auch an sich selbst, stets neuen Halt. Werner Lutz, dieser kleine Mann und grosse Dichter, der seit Jahrzehnten zurückgezogen in Basel lebte, wo er früher als Grafiker tätig war. Wo er schrieb und malte. Wo er innig Zwiesprache hielt mit dem Rhein.»

Peter Burri

Ausschnitt aus dem Interview von Esther Schneider mit Markus Bundi, Radio SRF, Mittwoch, 27. Juli 2016, 17:53 Uhr

Esther Schneider: … Sie haben Werner Lutz gut gekannt, waren oft mit ihm zusammen. Wie bleibt er Ihnen in Erinnerung?

Markus Bundi: Werner Lutz war ein wunderbarer Mensch und ein grosser Künstler. Er war aussergewöhnlich, weil er einerseits so bescheiden und andererseits ein Meister seines Fachs war. Er ist einer der wenigen Künstler mit einer Doppelbegabung. Er war Lyriker und Maler, und beides hat er gleichwertig betrieben und befördert. Persönlich habe ich ihn immer als einen sehr aufmerksamen Menschen erlebt, einen, der aber unter zu grossen Reizüberflutungen gelitten hat.

Esther Schneider: Er war doppelbegabt, sagen Sie. Man kennt ihn aber in erster Linie als Lyriker. Was zeichnete ihn denn als Lyriker aus?

Markus Bundi: Er hatte etwas ganz Eigenes, eine eigene Ästhetik. Man erkennt die Gedichte von Werner Lutz sofort. Er war nicht derjenige, der analysierte, Dinge zerlegte, sie atomisierte – sondern er suchte Zusammenhänge… Er wollte die unterschiedlichsten Sinne ansprechen. … Ich glaube, das ist das Unerreichte, die Kunst, in dieser Einfachheit immer wieder einen anderen Blick zu finden. …Er sagte einmal dazu, er suche so etwas wie einen 360-Grad-Kreis der Sinnlichkeit. Es sei fast wie eine Sucht für ihn, alle seine Sinne gleichzeitig zu befriedigen.

«Den Faden verlieren. Eben nicht verlieren!
Gibt es das / ein leichtes Land mit einem leichten Himmel / (…) mit Steinen die keine Gedenksteine sind?
(…) Ja, das leichte Land, den leichten Himmel muss es geben – und Gedenksteine wollen wir aus unserem Angedenken keine machen, allenfalls den Kopf neigen und einander die Hand geben.
Aufgewachsen / mit den Brunnenworten einer Brunnenröhre (…) / verstehe ich als einer der Letzten diese glitzernde Sprache.
Die Appenzeller Anthologie (Sammlung literarischer Texte seit 1900…) wiederholt dieses -Gedicht und das oben anzitierte -Gedicht. Das Grosslesebuch säumt aber auch nicht, an Lutzens Ein- und Zweizeiler zu erinnern (versammelt im 1996er Gedichtband, damals noch von Egon Ammann verlegt), will ausserdem zurückdenken an den Erstling, der 1979 davon ausgegangen war, dass einer dieses sein einziges Leben brauche.
Womit wir ja nicht etwas bei Lutz' Anfängen wären! Sie gehen zurück bis 1970, 1967, ja bis 1956. Grad jetzt jedoch haben wir eher Augen für oder Anliegen an künftige Zeit. (…) Ein Längs- oder Querschnitt dürfte thematisch Verwandtes bündeln; dürfte frühes / mittleres / spätes Schaffen reihen (…); dürfte Texte nach formalen Gesichtspunkten versammeln – vom lyrischen Einzeiler übers Lakonische weg zum breitzeiligen Parlando.
Hat dieser Dichter denn nicht neben seiner sparsamen Sageweise auch (…) eine hochgradig eigene Bilderwelt aufgebaut? Und neben dem wachsten Sinn für Farben eine auffällige Vorliebe für Komposita (Zusammensetzungen) eine unauffällige Vorliebe fürs Reden im Infinitiv (…) gehegt?»

Rainer Stöckli, Ausschnitte aus dem Nachruf erschienen im Ostschweizer Kulturmagazin Saiten